Ist in einer Zahnarztpraxis zu viel „Inselwissen“ bei Mitarbeitern vorhanden, kann sich das sehr negativ auswirken (siehe auch ZP 09/2020, Seite 11 ff.). Erhebliche Störungen in den Abläufen und schlechte Stimmung im Team sind eine häufige Folge. Viel Schaden kann bereits eine mangelhafte Behandlungsdokumentation anrichten. Wie man dieses Problem erkennen und systematisch in den Griff bekommen kann, wird nachfolgend anhand eines Praxisfalls erläutert.
Der Praxisfall
Dr. med. dent. Muster (Name geändert) ist unzufrieden: Sein angestellter Zahnarzt, das Team und er haben bemerkt, dass die Abläufe in der Praxis (Behandlung, Zusammenarbeit mit internem Labor, Abrechnung) alles andere als rund laufen. Immer wieder kommt es zu Störungen oder sogar Fehlern. Der Informationsfluss ist schlecht, Rückfragen, Nacharbeit bis hin zur Doppelarbeit stehen auf der Tagesordnung. Auch macht sich eine schleichende Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern breit und die Motivation sinkt.
Um den Ursachen auf den Grund zu gehen, beruft Dr. Muster eine Teambesprechung ein. Er realisiert, dass ihm ein ganzheitlicher Überblick fehlt. Dagegen will er nun Maßnahmen ergreifen. Um einen möglichst objektiven Eindruck über alle Abläufe zu bekommen, entscheidet er sich, eine neutrale, externe Fachkraft einzubinden, die unvoreingenommen alles unter die Lupe nehmen kann und Schwachstellen erkennen soll.
Die Analyse der Ausgangssituation
Zusammen mit der externen Fachkraft werden an einem Tag sämtliche Abläufe analysiert. Dabei werden alle Mitarbeiter befragt. Zudem wird der Frage nachgegangen, welche Risiken die aktuelle Situation impliziert. Gehen wichtige Informationen verloren? Werden vielleicht sogar Patienten gefährdet? Gibt es finanzielle Risiken?
Im Fokus dieser Analyse sind drei „Pfade“, die für ein professionelles und reibungsloses Arbeiten möglichst perfekt aufeinander abgestimmt sein sollten:
- Welchen Weg nimmt der Patient?
- Wie fließen die Informationen – gibt es gar einen „Info- Flaschenhals“?
- Welchen Weg gehen die Materialien?
Ausgangssituation internes Labor
Der Zahntechniker beklagt, dass er „ständig“ fehlerhaft ausgefüllte Laboraufträge erhält. Das führt dazu, dass er jedes Mal auf Spurensuche gehen muss (also bei seiner Kernarbeit unterbrochen wird). Ist die relevante Information nicht direkt in der Behandlungsdokumentation zu finden, muss er die Assistenz oder den Behandler befragen. Erstere kann in unserem konkreten Fall selten Auskunft geben. Und den Zahnarzt zwischen den Behandlungen „abzufangen“, ist auch nicht leicht.
Diese Recherche kostet pro Fall mindestens 5–10 Minuten (5 Minuten für den Techniker und zusätzliche 5 Minuten für die Assistenz oder den Zahnarzt) – plus die Zeit, um sich wieder konzentrieren zu können. Hier ist Frust programmiert.
Ausgangssituation Abrechnung
Laut ZMV fehlen in der Behandlungsdokumentation regelmäßig wichtige Informationen. Behandlungsschritte werden teilweise nicht richtig dokumentiert und die Leistungen können deshalb nicht abgerechnet werden.
Auch für die Erstellung der HKPs sind häufig Rückfragen nötig. Erschwerend kommt hinzu, dass diese teilweise erst nach zwei bis drei Wochen verfasst werden. Auch hier sind Fehler programmiert – im Nachgang müssen Pläne immer wieder revidiert und neu geschrieben werden.
Ausgangssituation Behandlung
Der Zahnarzt berichtet von ständigen Unterbrechungen – sei es in Fragen „von außen“ oder weil fehlendes Material geholt werden muss. Auch tauschen Dr. Muster und sein Kollege ab und zu die Behandlungszimmer. Da ihre Arbeitsweise jedoch nicht identisch ist, beklagen sie, dass die für ihren individuellen Workflow benötigten Materialien oder Instrumente (z. B. Muster bestückte Bohrer-Sets) nicht am Platz vorliegen. So müssen sie während der Behandlung nach Alternativen suchen oder für das richtige Equipment sogar das Zimmer verlassen.
Die Assistenzen sind selten im Zimmer, da sie mit anderen Aufgaben beschäftigt sind. Somit kennen sie selten den gesamten Behandlungsverlauf. Das führt dazu, dass die Dokumentation an den Zahnärzten hängenbleibt. Allerdings wartet im Behandlungszimmer nebenan bereits der nächste Patient. So dokumentieren sie aufgrund von Termindruck zwischen Tür und Angel oder am Abend und fassen sich meist kurz. Da ist vorgezeichnet, dass wichtige Informationen vergessen werden.
Ausgangssituation Assistenz
Ihr fehlt schlichtweg die Zeit, da häufig Aufgaben liegen bleiben, die miterledigt werden müssen. Alle Mitarbeiter berichten, dass sie sich häufig gegenseitig aushelfen. Infolge des Mehraufwands werden Aufgaben mit häufigen Unterbrechungen durchgeführt. Der Überblick für das Wesentliche geht verloren und es macht sich eine schleichende Ohnmacht breit.
Hauptprobleme und Folgen zusammentragen
Im nächsten Schritt werden drei Hauptprobleme identifiziert. Zudem wird besprochen, welche Folgen und Risiken sich daraus ergeben. Das alles wird in einer Übersicht zusammengetragen.
Hauptprobleme, Ursachen und Folgen
Hauptprobleme lösen
Im Nachgang zu dieser Analyse werden die Maßnahmen festgelegt, mit denen die Probleme gelöst werden sollen.
1. Optimierung der Abläufe im Behandlungszimmer
Hauptziel ist, Freiräume für die Assistenzen zu schaffen, sodass diese im Zimmer assistieren können. Zudem soll die Behandlung besser vorbereitet werden, um Störungen zu vermeiden. Dazu werden sämtliche Praxis-Aufgaben erfasst, auch vermeintlich „unwichtige“ Aufgaben wie der abendliche Abwasch, waschen oder bügeln. Folgende Maßnahmen werden durchgeführt:
- Aufgaben werden priorisiert und feste Arbeitspläne erstellt. Hierzu werden tägliche und wöchentliche Aufgaben in Checklisten hinterlegt. Diese werden in die jeweiligen Räume untergliedert und auch die Besonderheiten (z. B. Sealcheck am Montag) aufgeführt.
- Für monatliche oder jährliche Aufgaben werden feste „Sonderbeauftragte“ inklusive Vertretung definiert.
- Feste Zuständigkeiten für die einzelnen Zimmer werden festgelegt.
- Zur optimalen Behandlungsvorbereitung werden mit einer Fotodokumentation die aufgedeckten Instrumente pro Behandlung festgehalten. Die Anleitung wird mit Instrumentenlisten ergänzt. Muster überträgt die Aufgabe seinem Azubi, so wird dieser gut eingearbeitet und das Team entlastet.
- Die Behandlungszimmer werden nach den individuellen Behandlungsvorlieben der Zahnärzte vollständig bestückt.
- Tage mit zusätzlichem Azubi werden genutzt, um Aufgaben zu erledigen, die mehr Zeit beanspruchen.
- Aufgaben des Frühdienstes werden nicht mehr an den Spätdienst delegiert.
- Die Wäschereinigung wird ausgelagert.
2. Optimierung der Dokumentation
Eine professionelle Dokumentation kostet täglich Zeit, deshalb wird sie meist stiefmütterlich behandelt. Doch nur so können erbrachte Leistungen optimal abgerechnet werden. Deshalb gehen Herr Dr. Muster und sein Team das Thema strukturiert an:
- Alle Mitarbeiter werden durch eine erfahrene ZMV geschult.
- Es wird eine einheitliche Dokumentationslinie definiert: Hierfür werden in Zusammenarbeit mit der ZMV Behandlungskomplexe angelegt. Ziel ist, wesentliche Details nicht zu vergessen und Zeit zu sparen. Durch eine gezielte und vollständige Dokumentation erfasst die Praxis alle Honorarleistungen, optimiert so die Abrechnung und generiert mehr Umsatz.
- Assistenzen sind – soweit möglich – im Behandlungszimmer und der Zahnarzt „diktiert“ Wesentliches. So erfolgt die Dokumentation bereits überwiegend während der Behandlung und der Zahnarzt wird entlastet. Geprüft wird die Dokumentation spätestens abends durch den Behandler.
- Das Thema Dokumentations-Schulung steht jedes Jahr auf der Fortbildungsliste.
3. Optimierung der Abläufe mit dem Eigenlabor
Durch die Analyse sind Behandler und Team sensibilisiert, warum bestimmte Informationen auf dem Laborauftrag für die Laborarbeit immens wichtig sind. Folgende Maßnahmen werden beschlossen:
- Der Laborauftrag wird um relevante Informationen ergänzt, die bislang vom Techniker als selbstverständlich vorausgesetzt, doch vom Team nie dokumentiert wurden.
- Die Laborzeiten für einzelne Arbeiten werden verbindlich festgelegt. So sind Rücksprachen nur bei Sonderfällen nötig und die Folgeterminierung ist besser planbar. Auch die Planbarkeit für Terminkaskaden bei größeren Behandlungen wird nun für Patient und Team deutlich verbessert.
Vom Inselwissen zum wertvollen Praxiswissen
Nach Verabschiedung der Maßnahmen wird das gesammelte Know-how zentral und intuitiv bedienbar zugänglich gemacht – in Form eines Content – Management-Systems, dem Praxiswiki. Um Abläufe nachhaltig zu etablieren, finden regelmäßige Teammeetings statt. Hier berichten alle Teammitglieder: „Was bremst mich bei meiner Arbeit? Was läuft gut? – Mehr davon!“ Dr. Muster möchte sein Team langfristig einbinden – inklusive einer offenen Fehlerkultur.
Fazit:
Die unzureichende Dokumentation durch den Behandler ist ein klassischer Flaschenhals im Informationsfluss, der alle nachgelagerten Abläufe (Labor, Terminierung, Abrechnung) negativ beeinflusst. Professionelle Dokumentation zählt zu den Kernkompetenzen, denn durch sie können geschulte Mitarbeiter massiv Zeit (= Geld) einsparen.
Es zeigt sich immer wieder, dass die Performance des gesamten Teams davon abhängig ist. In der Praxis von Dr. Muster wurden durch eine klare Aufgabenzuteilung und realistische Planung (auf Grundlage von Dienstplänen) Freiräume geschaffen und es gibt weniger Störungen. Davon profitieren sowohl die Patienten als auch das gesamte Team.
Hier geht’s zum Artikel „Mangelhafte Behandlungsdokumentation – mit fatalen wirtschaftlichen und kollegialen Folgen“
Mangelhafte Behandlungsdokumentatin_mit fatalen wirtschaflichen und kollegialen Folgen
Hier geht’s zum Online-Portal der ZP:
Mangelhafte Behandlungsdokumentation – mit fatalen wirtschaftlichen und Kollegialen Folgen
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